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Friedensdialoge im Kalten Krieg

Eine Geschichte der Katholiken in der Bundesrepublik 1957-1983, Campus Historische Studien 65

Erschienen am 08.10.2012, 1. Auflage 2012
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593397375
Sprache: Deutsch
Umfang: 375 S.
Format (T/L/B): 2.1 x 21.4 x 14.3 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Das atomare Wettrüsten des Kalten Krieges veränderte das Denken und Sprechen über Krieg und Frieden. Daniel Gerster untersucht, welche Beiträge die Katholiken der Bundesrepublik in diesen öffentlichen Debatten geleistet haben. Gleichzeitig zeichnet er die grundlegenden Transformationen nach, die die katholische Gemeinschaft in der westdeutschen Gesellschaft nach 1945 durchlief. Dabei wird deutlich, dass katholische Akteure bei der Gestaltung der politischen Kultur der Bundesrepublik eine zentrale Rolle spielten.

Autorenportrait

Daniel Gerster, Dr., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg.

Leseprobe

Wie heiß wird er sein, der Herbst 1983? Wird er erträglich sein? Gefährlich? Oder am Ende gar produktiv? So fragte Walter Dirks im Sommer desselben Jahres in den Frankfurter Heften. Im Rückblick wissen wir, dass der Herbst 1983 für die Auseinandersetzungen um den NATO-Nachrüstungsbeschluss Höhe- und Wendepunkt zugleich war. Einerseits brachten die Proteste noch einmal zahlreiche Bürger auf die Straße und damit die Argumente gegen eine Nachrüstung zu Gehör, andererseits ebbte die öffentliche Unterstützung mit der Stationierung der Mittelstreckenraketen nicht abrupt, aber doch nach und nach ab. Konsequenterweise fanden auch Diskussionen um Krieg und Frieden 1983 kein unvermitteltes Ende. Dennoch bildete das Jahr eine Zäsur, insofern die öffentliche Relevanz des Themas nachweislich zurückging. Insbesondere die Gefahren der nuklearen Rüstung gerieten zusehends aus dem Blickfeld, zumal mit dem Reaktorunfall von Tschernobyl im April 1986 vermehrt die sogenannte "friedliche Nutzung der Kernenergie" im Mittelpunkt der Kritik stand und das Ende des Ost-West-Konflikts 1989/90 schließlich öffentliche Debatten um Nuklearwaffen auf ein Minimum reduzierte. Das Jahr 1983 markiert dementsprechend einen geeigneten Schlusspunkt für meine Studie katholischer Friedensdialoge. Im Folgenden werden abschließend die zentralen Transformationsebenen akzentuiert, welche die Untersuchung zutage gebracht hat. Erstens ließen sich weitreichende und dauerhafte, inhaltliche Umcodierungen offenlegen, die allerdings weder homogen noch linear vonstattengingen. Hierbei fällt als Erstes ins Auge, wie stark sich Inhalt und Stellung der traditionellen katholischen Lehre vom Gerechten Krieg im Zuge des atomaren Wettrüstens wandelten. Unter Pius XII. bemühte sich das kirchliche Lehramt zunächst vehement, die Lehre zeitgemäß umzuformulieren, indem es das Recht auf staatliche Selbstverteidigung herausstellte. Anhand des westdeutschen Beispiels konnte allerdings veranschaulicht werden, dass dieser Wandel auf nationaler Ebene zunächst nur eingeschränkt nachvollzogen wurde. Während der sechziger Jahre trat das Konzept des Gerechten Krieges in katholischen Äußerungen zu Krieg und Frieden dann generell in den Hintergrund, ohne dass es - wie das Konzilsdekret Gaudium et Spes beispielhaft belegt - freilich aufgegeben wurde. Vielmehr behielt die Vorstellung eines staatlichen Selbstverteidigungsrechts unter möglicher Verwendung nuklearer Waffen im katholischen Raum seine Bedeutung. Das ließ sich unter anderem anhand der Aussagen von Nachrüstungsbefürwortern und -gegner der frühen achtziger Jahre belegen. Es wurde jedoch vermieden, diese Auffassung als "Lehre vom Gerechten Krieg" zu bezeichnen. Im Gegenzug trat verstärkt ein erweitertes und dynamisches Friedensverständnis in den Vordergrund. Es verstand Frieden nicht länger ausschließlich als Nicht-Krieg, der einzig durch militärische Maßnahmen zu sichern sei. Frieden galt in wachsendem Maße vielmehr als die fortdauernde Aufgabe, sich für eine gerechtere und sozialere Welt zu engagieren. Solche Friedensvorstellungen konnten vereinzelt bereits für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nachgewiesen werden, eine weitreichende Schwerpunktverschiebung vollzog allerdings erst Papst Johannes XXIII. Er betonte in seinen Schriften, insbesondere in der Enzyklika Pacem in Terris von 1963, die Bedeutung von friedensfördernden Maßnahmen wie die Durchsetzung von Menschenrechten und die Intensivierung von Entwicklungshilfe und -politik. Das Zweite Vatikanische Konzil schloss sich diesem Friedensverständnis an und versuchte, es mit der Lehre vom Gerechten Krieg in Einklang zu bringen. Die Würzburger Synode, welche die Beschlüsse des Konzils in die pastorale Praxis der Bundesrepublik übertragen sollte, schrieb dieses Spannungsverhältnis Mitte der siebziger Jahre für den katholischen Raum Westdeutschlands fest. Mit der geschilderten konzeptionellen Entwicklung korrespondierte ein grundlegender Wandel der katholischen F

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