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Kaisertum und Kalifat

Der imperiale Monotheismus im Früh- und Hochmittelalter, Globalgeschichte 21

Erschienen am 15.08.2015, 1. Auflage 2015
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593502830
Sprache: Deutsch
Umfang: 645 S., 53 Fotos
Format (T/L/B): 4 x 21.4 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

'Trennung von Staat und Kirche im Okzident' versus 'Verschmelzung von Politik und Religion in Byzanz und im Islam': Mit diesen Attributen beschrieb man bislang häufig die globalgeschichtlichen Unterschiede zwischen Europa und dem Nahen Osten im Mittelalter. Almut Höfert wendet sich gegen diese tradierte Vorstellung. In einem Bogen von der Spätantike bis zum Hochmittelalter befasst sie sich mit der Frage, wie das moderne, eurozentristische Konzept von Religion auf vormoderne Verhältnisse angewendet werden kann. Ihre zentrale These lautet: Das römisch-byzantinische Kaisertum, das umayyadisch-abbasidische Kalifat sowie die karolingisch-ottonische Kaiserherrschaft und das Papsttum entwickelten das spätantike Herrschaftsprinzip des imperialen Monotheismus in verschiedenen, konfliktträchtigen Varianten weiter. Karl der Große erscheint in dieser Perspektive nicht als der Begründer eines einzigartigen Europas, sondern - gemeinsam mit den Kalifen - in der Tradition der Spätantike.

Autorenportrait

Almut Höfert ist Professorin für Geschichte des Mittelalters an der Universität Oldenburg.

Leseprobe

1. Einleitung 1.1 Das Thema der Untersuchung 337 n. Chr., so berichten es die Quellen, nahm der Kaiser des römischen Reiches Konstantin I. auf seinem Sterbebett den christlichen Glauben an. Seit dieser Zeit war die römische Monarchie, die sich als Weltreich verstand und einen universalen Herrschaftsanspruch vertrat, mit dem christlichen Monotheismus verbunden, der - anders als der jüdische Monotheismus, aus dem das Christentum hervorgegangen war - ebenfalls nach einer universalen Verbreitung strebte. Der Kaiser des nunmehr christlichen Reiches galt als das Oberhaupt der christlichen Ökumene und hatte eine zentrale heilsrelevante Funktion inne. Die Verbindung von Monarchie und Monotheismus wurde heilsgeschichtlich gedeutet: Mit der Herrschaft eines Kaisers unter einem Gott seien Polyarchie und Polytheismus zu ihrem Ende gekommen, die christliche Ökumene unter einem Gott mit dem römischen Weltreich unter einem Kaiser in Einklang gebracht worden. Das römische Reich war zum Abbild des himmlischen Reiches geworden, in dem der Universalmonarch als Stellvertreter Gottes seine Untertanen für das göttliche Königtum bereit machte. Die christliche Spätantike hatte damit ein Herrschaftsmuster hervorgebracht, in dem vormalige Verbindungen von Religion und Weltreich in einer qualitativ neuen Form verdichtet wurden. Religion und imperiale Strukturen wurden nun untrennbar miteinander verschmolzen. Es galt das Prinzip: ein Gott, ein Kaiser, ein Weltreich, ein Glaube. Ebenso wie es nur einen Gott gab, konnte es nur ein Kaisertum (griech. basileia, lat. imperium) geben. Allerdings sollte die Einheit von imperium und ecclesia keinen dauerhaften Bestand haben. Auch wenn sich der Kaiser als victor omnium gentium (Sieger über alle Völker) feiern ließ, das Christentum unter der Stadtherrschaft der Bischöfe weiter Fuß fasste und Justinian I. im 6. Jahrhundert Teile des westlichen Reiches zeitweise wieder in den Reichsverbund zurückführte, ließ sich der Westen langfristig nicht halten. Im Zuge dieser Entwicklungen entstand ein zweites christliches Kaisertum. Als sich der fränkische König Karl der Große am Weihnachtstag 800 von Papst Leo III. in Rom zum Kaiser krönen ließ, wurde die vormalige Exklusivität des christlichen Kaisertums dauerhaft in Frage gestellt. Die Spannungen und Konflikte, die sich aus dieser Konstellation ergaben, bezeichnete die Forschung als "Zweikaiserproblem". Auch wenn sich Byzanz realpolitisch mit der Existenz eines zweiten Kaisers im Westen abfand, stand das Prinzip, dass es nur einen römischen Kaiser geben durfte, weiterhin im Raum. In der Kirchenpolitik kam es gleichfalls zu einer Zweiteilung. Die Bischöfe von Rom, die die lateinischen Kaiser krönten, beanspruchten als Päpste eine universale Führungsrolle und pochten auf den Primat des Patriarchates von Rom. 1054 kam es schließlich zum Schisma der Ost- und Westkirche. Die Existenz zweier Kaiser war also mit der Trennung des Christentums in zwei Hauptkonfessionen verbunden. Es ist auffällig, dass in der islamischen Welt ein paralleler Vorgang zu beobachten ist. Als die arabische Expansion über die arabische Halbinsel hinausgriff und die Umaiyadenkalifen 661 ihre Hauptresidenz in Damaskus mit christlichem Personal und griechischer Verwaltungssprache aufschlugen, übernahmen sie das spätantike Muster der Verbindung von Monotheismus und imperialen Strukturen. Die Kalifen sahen sich als Statthalter Gottes in der Nachfolge der monotheistischen Propheten unter der endgültigen Offenbarung des Korans als alleinige Garanten für den Bund Gottes mit den Gläubigen. Im jungen islamischen Reich galt daher gleichfalls grundsätzlich das spätantike reichsökumenische Prinzip, nach dem das Weltreich und die Heilsökumene als deckungsgleich verstanden wurden: ein Gott, ein Kalif, ein Weltreich, ein Glaube. Zwar akzeptierte die siegreiche, zahlenmäßig jedoch noch sehr kleine Erobererschicht, dass ein Großteil ihrer Untertanen einer anderen Buchreligion anhing, aber die islamische Expansi