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Erfahrung - Werte - Religion

Tag der Religionspädagogik 2006

Nordhofen, Eckhard
Erschienen am 29.12.2006, 1., Aufl.
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783921221426
Sprache: Deutsch
Umfang: 62
Format (T/L/B): 29.0 x 21.0 cm

Beschreibung

Die Gesellschaft braucht Werte, Werte sind ein knappes Gut und daher nach allen Regeln der Ökonomie kostbar. Wer kann diese Werte aber produzieren? Tatsächlich lässt sich empirisch ganz gut zeigen, dass die Bindungswirkung von Ethik und Moral ungleich größer ist, wenn sie in der Religion wurzelt. Unter einem funktionalistischen Gesichtspunkt ist Religion plötzlich wieder gut im Geschäft – ein Stabilisator von Staat und Gesellschaft. Es kann sein, dass plötzlich Ungläubige einen dringenden Bedarf nach Religion anmelden, eine Religion, an die sie selbst natürlich nicht glauben. Der Soziologe Hans Joas liegt voll auf der Linie der biblischen Aufklärung, die sich gegen selbst gemachte Götter wendet: Normen, die mich binden sollen, müssen mir als etwas entgegenkommen, das nicht selbst gemacht ist. Auch in der Beziehung zwischen zwei Menschen, die sich lieben, muss der oder die Andere mir als wirklich Anderer oder Andere entgegenkommen. Eine Partnerin, ein Partner darf nicht das Produkt der eigenen Fantasie sein. Es kommt darauf an, das eigene Ich zu transzendieren. Von Anfang an ist der Gott der Bibel ein Gegenüber, wie wir es auch aus menschlichen Liebesbeziehungen kennen – allerdings größer und anders und nicht kalkulierbar. Der Evangelist Johannes bringt es auf den Punkt: Gott ist die Liebe. Wenn es Gott gibt, dann muss er ein wirkliches Gegenüber sein, ein Gegenüber wie ein Liebender. Diese Kritik der biblischen Aufklärung hat etwas mit der Vernunft zu tun. Wir sehen hier eine tief gründende Verwandtschaft zwischen Vernunft und Liebe, die auch im Zentrum der wichtigsten Verlautbarungen eines gleichzeitig intellektuellen wie liebevollen Papstes stehen. Ihr Gegensatz ist die Gewalt. Dieses Stichwort ist in der päpstlichen Anfrage an die Muslime auf eine Weise hochgeschnellt, die uns alle erschreckt hat. Aber was wäre ein interreligiöser Dialog zwischen Christen und Muslimen, wenn nicht vor allen Debatten eine Art Abrahamspakt geschlossen wäre: Abraham, auf den sich alle berufen, könnte der Namenspatron für einen Pakt folgenden Inhalts sein: Lasst uns argumentieren im gegenseitigen Respekt, Gründe und Bekenntnisse austauschen – aber eines muss klar sein: Der Verzicht auf Gewalt steht am Anfang jeden Dialogs. Der Brief der islamischen Autoritäten an Papst Benedikt XVI. und sein Besuch in der Türkei sind hier ein Hoffnungszeichen. Die Beiträge des vorliegenden Heftes kreisen um die drei Begriffe: Vernunft, Liebe und Gewalt. Die mitversandte Leseprobe des Magazins CICERO zur „Rückkehr der Religion“ kann durchaus als zeitgeistiger Kommentar des oben Gesagten gelesen werden. Am Ende eines ereignisreichen Jahres wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen inspirierten Start ins neue Jahr!