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Darwin, Haeckel und die Folgen

Monismus in Vergangenheit und Gegenwart

Lenz, Arnher E / Mueller, Volker / Wuketits, Franz M. / Mueller, Volker / Bretschneider, Jan / Jäcke
Erschienen am 20.10.2006, 1., Aufl.
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783933037565
Sprache: Deutsch
Umfang: 359
Format (T/L/B): 21.0 x 14.0 cm

Beschreibung

Anlass des Erscheinens dieses Sammelbandes ist der 100. Jahrestag der Gründung des Deutschen Monistenbundes (mittlerweile umbenannt in Freigeistige Aktion für humanistische Kultur e.V.), verbunden mit einer kritischen Würdigung seiner inhaltlichen Beiträge für eine wissenschaftlich fundierte Weltanschauung. Anlässlich der sich am in diesem Jahr zum 100. Male jährenden Gründung des Monistenbundes wird ein Sammelband herausgegeben, dessen Beiträge sich mit der Situation um 1900, den Entwicklungen bis zum Jahre 1933 (und danach) sowie der Zeit nach 1945 bis heute auseinandersetzen. Im Vordergrund stehen dabei freigeistig-humanistische Anliegen, die Herausbildung einer monistischen Weltanschauung sowie die Entwicklung des Verhältnisses von Philosophie und Wissenschaften bis in die heutige Zeit. Das Buch stellt die Vielschichtigkeit des Monistenbundes in den 100 Jahren anhand der agierenden Personen sowie die inhaltlichen und organisatorischen Verflechtungen mit Freidenkern und Freireligiösen dar. Die persönlichen „Monismen“ der handelnden Natur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaftler erscheinen als Stärke. Sie spiegeln die durch die Aufklärung entstandene geistige Situation wider (undogmatisches Denken, gegenseitige Befruchtung von Wissenschaft und Philosophie, Pluralität auch in der freigeistigen Bewegung bzw. innerhalb der freien Weltanschauungen usw.). Wie schon das durch Ludwig Feuerbach repräsentierte Ende (und Erbe) der klassischen deutschen Philosophie die stürmische Entwicklung der Natur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaften erkennen lässt, kann man konkret seit Ernst Haeckel und den anderen Monisten nachvollziehen, dass die sich wandelnde Welt, mit den dadurch entstandenen Fragen, dringend neuer Antworten bedurfte. Die Entwicklungslehre erfuhr mit Darwin und Haeckel allgemeine Geltung.

Rezension

Kaum ein anderer Naturforscher wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland so verehrt und gehasst wie Ernst Haeckel. Denn der Jenaer Zoologe war ein überzeugter Anhänger Darwins und kämpfte in Wort und Schrift für die Verbreitung einer ausschließlich naturwissenschaftlich fundierten Weltanschauung. Die internationale Vereinigung der Freidenker kürte ihn 1904 auf einem Kongress in Rom sogar zum »Gegenpapst«. Zwei Jahre später wurde auf Haeckels Initiative hin im Zoologischen Institut der Universität Jena der Deutsche Monistenbund (DMB) gegründet, zu dessen Mitgliedern so berühmte Leute gehörten wie der Schriftsteller Wilhelm Bölsche, der Architekt Henry van de Velde, der Sexualforscher Magnus Hirschfeld und der Publizist Carl von Ossietzky. Wenn auch nicht alle die gleichen politischen Anschauungen vertraten, stimmten sie zumindest darin überein, dass Natur und Geist von einem einheitlichen Weltprinzip durchdrungen sind (daher Monismus). 1910 übernahm Chemie-Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald den Vorsitz des Bundes, der sich nun besonders in der Kirchenaustrittsbewegung engagierte, aber auch eine kulturelle und sozialreformerische Tätigkeit entfaltete, die in ganz Deutschland für lebhafte Diskussionen sorgte. Von den anfänglichen Erfolgen gleichsam berauscht, verkündete Ostwald schon im Jahr 1911 den Beginn des »monistischen Jahrhunderts«, das jedoch 1933 ein jähes Ende fand: Die Nazis lösten den Deutschen Monistenbund auf. Doch bereits 1946 wurde er in den Westzonen neu gegründet und beschäftigt sich heute unter dem Namen »Freigeistige Aktion für humanistische Kultur« vornehmlich mit aktuellen Fragen: Werteunterricht in der Schule, Ethik und Genforschung, Verhältnis von Religion und Naturwissenschaft, um nur einige zu nennen. In einem kürzlich erschienenen Sammelband haben namhafte Wissenschaftler nun die wechselvolle Geschichte des Deutschen Monistenbundes nachgezeichnet und überdies die Frage zu beantworten versucht: Was ist Monismus überhaupt, und wie ist er historisch zu bewerten? Dem Leser werden dabei zahlreiche interessante Details geboten, die in der Literatur ansonsten kaum Erwähnung finden. Allein aus diesem Grund ist die Lektüre des Buches ein wahres Bildungserlebnis. Festzuhalten jedoch bleibt: Vieles, was Haeckel sich vor 100 Jahren erträumt hat, ist so nicht wahrgeworden. Und dennoch: Die Tatsache, dass kaum noch jemand den Deutschen Monistenbund kennt, könnte auch ein Indiz dafür sein, schreibt der Philosoph Eckhart Pilick, dass das Anliegen des Bundes hierzulande auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Nicht zuletzt die großen Kirchen geben sich im Dialog mit den Naturwissenschaften heute deutlich liberaler. Martin Koch (Neues Deutschland)

Inhalt

Vorwort I. Philosophie, Naturwissenschaft und monistische Weltanschauung Franz Wuketits 11 „Mein lieber Haeckel!“. Ernst Haeckel, Charles Darwin und der Darwinismus Volker Mueller 33 Philosophischer Monismus und Naturwissenschaften – Zu Entwicklungen monistischer Weltanschauung in Deutschland Jan Bretschneider 47 Der Monismus und die Welträtsel Peter Jäckel 75 Ernst Haeckels „Die Welträthsel“ Ein Brenn- und Höhepunkt der freigeistigen Bewegung im Deutschland des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts und der Wende zum 20. Jahrhundert Rudolf Bährmann 93 Haeckels Ökologie-Begriff – Inhalt, Deutung, Bedeutung Eckhart Pilick 127 Zwischen Theorie und Glauben – Disparate Tendenzen im Monismus II. Monismus, Geistesfreiheit und Humanismus Heiko Weber / Olaf Breidbach 157 Der Deutsche Monistenbund 1906 bis 1933 Hermann Detering 207 „Et hic dii sunt – Auch dieser Ort ist ein heiliges Land!“ Ernst Haeckel und Albert Kalthoff – Eine Wahlverwandschaft? Bernhard Ahlbrecht 237 Die monistischen Sonntagspredigten von Wilhelm Ostwald Erik Lehnert 247 „Tiefes Gemüt, klarer Verstand und tapfere Kulturarbeit“ – Bruno Wille und der Friedrichshagener Dichterkreis als Ausgangspunkt monistischer Kulturpolitik im Kaiserreich Lars Jentsch 275 Evolution der Religion? Der Deutsche Monistenbund zwischen Kulturkampforganisation und Religionsgesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkrieges Anke Reuther / Wolfgang Heyn 297 „Hochverehrter Herr Professor!“ Zu den Briefen Ida Altmanns an Ernst Haeckel Manja Stegemann 321 Der erste Internationale Monisten-Kongress Arnher E. Lenz / Ortrun E. Lenz 335 Der Deutsche Monistenbund nach 1945