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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783937445595
Sprache: Deutsch
Umfang: 220 S.
Format (T/L/B): 2 x 21.5 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

In den Jahren vor der Finanzkrise hat Ruth Netzer durch den Verkauf westlicher Kunst an chinesische Kunden ein beachtliches Kapital angehäuft, das sie nun in eine Schönheitscreme, UNTITLED, investiert, die alle Konkurrenzprodukte durch die seltene Eigenschaft übertreffen soll, zu halten, was sie verspricht. Sie will Wunschbilder anderer in etwas Wirkliches verwandeln. Darum genügt es ihr nicht, eine Kosmetik zu entwickeln, die nur auf physische Verbesserungen zielt, vielmehr soll die Substanz auch in den unsichtbaren Regionen des Ichs wirksam werden. Als sich ein nicht zu versöhnender Streit mit ihrem Geschäftspartner Lu Dongbing über die nötigen Zutaten entspinnt, und Ruth, um ihn zu irritieren, lebende Bilder zu inszenieren beginnt, wehrt sich Lu Dongbing mit klassisch-chinesischen Kriegslisten. Mit "BEAUTY POLICE" schließt Pierangelo Maset seine Berlin-Trilogie bei kookbooks ab. Neben Ruth Netzer begegnen darin auch die aus "Klangwesen" und "Laura oder die Tücken der Kunst" vertrauten Laura Vermeer und Eric Dert wieder. Ein Roman über unsere biopolitische Gegenwart, ihre Netze aus Kunst, Kommerz und Kontrollwahn und über das Terrorisierende im Wunsch nach Verwirklichung.

Leseprobe

Es gibt keinen Ausweg aus dem Verbrauch, und die Dinge lachen sich tot darüber. Und dann geht es los, ich kann nichts dafür: Meine Schuhe vibrieren von einem Muhen, eine Kuh fordert ihre Haut zurück, sie will das Leder schrittweise wiederhaben. Dazu ist sie nur kurz in der Lage, mein Blick bohrt ihr ein Vergessen ins Bild. Es kitzelt etwas an den Füßen, lässt sich aber ertragen. Gottseidank sind alle Ebenen auf natürliche Weise getrennt, doch Spiegelungen lassen erahnen, dass in allen Richtungen massenweise verrückt gewordene Arten und Ehemalige begierig und ungeduldig auf ihren großen Auftritt warten. Verfluchte Wanderseelen! Bisher ist es meistens glimpflich ausgegangen, nur einmal musste ich ein obszön sich aufweichendes, sich nach und nach in alle Einzelteile auflösendes Automobil beobachten. Gegen solche Fälle vermag ich nichts auszurichten, dafür reicht mein Sehen nicht, es besteht bloß aus der Summe dessen, was mich bisher umgab, und seine Langsamkeit ist notorisch. Doch ich kann den Gedanken nicht loswerden, dass wenigstens die Anorganischen in den Bilderfallen bleiben sollten. Paul ist ein kritischer Mensch, einer derjenigen, die ihre Stimme am Denken schulen wollen, eine selten gewordene Spezies. In Zeiten von THE BEAUTY POLICE sollt ihr euch um eure Falten kümmern und Angst haben vor dem, was in der Zukunft liegt, denn es wird immer euer Alter sein. Ihr könnt zusehen bei eurem Zerfall, keine Chance. Es gibt die tollsten Apparate, die all das aufnehmen, ihr seht es in Überschärfe am Bildschirm, in irgendeiner Casting-Show, ihr könnt es mit Grafikprogrammen aufbrezeln, falls gewünscht. Die pure Vorbereitung aufs Marketingleben, das Profil- und Exzellenzleben, ein ununterbrochenes Bewerbungsleben, das erbrochene Kontrollleben, ein komfortables Auto- und Handyleben, ein beglaubigtes Vertrags- und Medizinleben und vermutlich auch ein Pluto- und Saturnleben. Schrei in den Hörer und melde dich mit einem tief empfundenen Hallo, das dir das Trommelfell verdreht, denn du bist mittendrin in diesem einen Leben, wenn du etwas sagen kannst. Du bist dein eigener Berater, es kommt auf dich an und auf dich zu, denn auch du bist Europa, kannst Europa sein, ganz allein. Dein Gehirn, dein Land, dein Reich komme. Lauf mit deinem Bauchladen herum und bettele bei denen, die dir auf Plattformen Arbeit und Zukunft versprechen, oder betreibe etwas anderes, superb bewertet mit Triple-A, best-of-best, offensive Zeitnutzung im vorschriftsmäßig aufgeteilten Universum, win-win. Feines Programm: der Zeit bei ihrem Verstreichen zuzuschauen, sich beim Älterwerden zu beobachten, generationenübergreifend und dauerhaft eingerichtet. Keiner hört zu. Fuck.