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Stadt der schwarzen Tore

Gedichte aus Theresienstadt - Gesammelte Gedichte 1938-1990, Bibliothek der Böhmischen Länder 5

Erschienen am 01.11.2012
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783980841092
Sprache: Deutsch
Umfang: 248 S., 4 Illustr.
Format (T/L/B): 2 x 21.1 x 13.2 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

Als Salomon Pollak kam er 1914 in Mährisch Aussee, damals noch Österreich-Ungarn, zur Welt; in der nach 1918 tschechischen Umgebung wurde daraus Vlastimil - 'der Vaterlandsfreund' - Artur Polák. Seine geistige Heimat fand Polák jedoch in der deutschen Literatur und den jüdischen Überlieferungen. In diese Welt brach 1938 die bedrohliche Wirklichkeit des Münchner Abkommens und kurz darauf brennender Synagogen im Sudetenland. Am 15. März 1939 rollten deutsche Panzer durch Prag, und in ihrem Gefolge hielten Gestapo und Nürnberger Gesetze auch im restlichen Böhmen und Mähren Einzug. Der Bestimmungsort für die Juden, die sich nicht ins Ausland retten konnten, hieß Theresienstadt (Terezín). Zynisch als 'Stadt für die Juden' inszeniert, entpuppte sich das dortige 'Ghetto' als Durchgangsstation auf dem Weg nach Treblinka und Auschwitz. Vlastimil Artur Polák wurde zum dichterischen Chronisten dieser Ereignisse, schrieb über 'Adolf Hitler, den wahnsinnigen Gott', die Judenprogrome des 9. November 1938, über Gestapo-Razzien, Widerstand und das KZ. Umgeben von täglichem Leid, in ständiger Erwartung auch der eigenen Ermordung, schuf sich Vlastimil Artur Polák im Schreiben von Gedichten einen Bezirk der Freiheit: in Versen des Trostes und der Liebe, der Verzweiflung und des Trotzes. Polák, zuletzt Mitglied einer geheimen Widerstandsgruppe im Ghetto, überlebte die Verfolgung; auch seine Gedichte konnte er retten. Spätestens nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 gab es in der Tschechoslowakei jedoch kein Publikum mehr für einen deutschsprachigen jüdischen Dichter. Die 'Samtene Revolution' von 1989 konnte er schließlich noch feiern, auf Václav Havel verfaßte er eines seiner letzten Gedichte. Erst nach seinem Tod 1990 trat sein ganzer schöpferischer Reichtum zutage, sein Nachlaß umfaßt viele Hundert unveröffentlichte Gedichte. Zum bestimmenden Thema seiner Dichtung wurden erst die unmittelbaren Eindrücke in Theresienstadt und dann sein 'Schreiben nach Auschwitz', das ihn sein ganzes Leben lang beschäftigte. Mit Vlastimil Artur Polák kann nun ein Dichter entdeckt werden, dessen Werk manche Parallelen zu dem seiner weitaus bekannteren Leidensgenossen - wie Petr Kien und H.G. Adler - aufweist. Die Beschäftigungen mit der Kultur in Theresienstadt sind um ein wichtiges Kapitel zu ergänzen. In der deutsch-jüdischen Literatur tritt mit Polák ein neuer Name zu denjenigen, die durch die Erfahrung der eigenen Verfolgung zu Dichtern reiften: neben Nelly Sachs und Paul Celan, Rose Ausländer und die jung umgekommene Selma Meerbaum-Eisinger.

Autorenportrait

Als Salomon Pollak kam er 1914 in Mährisch Aussee, damals noch Österreich-Ungarn, zur Welt; in der nach 1918 tschechischen Umgebung wurde daraus Vlastimil - 'der Vaterlandsfreund' - Artur Polák. Seine geistige Heimat fand Polák jedoch in der klassischen deutschen Literatur und den jüdischen Überlieferungen; sein Vorfahr Eleasar Löw, Schemen Rokeach II (1758-1837), war ein bedeutender Rabbiner gewesen. Ab 1928 lebte Polák in Olmütz, vorübergehend als Buchhalter, dann wieder arbeitslos; einige Monate auch in Wien. Bereits ab Mitte der dreißiger Jahre hatte er nach epigonalen Versuchen mit traditionellerer Lyrik und sogar einem Drama begonnen, politische Gedichte zu schreiben, die sich unter anderem gegen die Sudetendeutsche Partei Konrad Henleins und dessen Gesinnungsgenossen richteten. Seinen obligatorischen Grundwehrdienst in der tschechoslowakischen Armee trat er im Oktober 1936 an und verlängerte ihn in der Krisenzeit nach dem Münchner Abkommen freiwillig. Am 15. März 1939 rollten deutsche Panzer durch Prag, und Gestapo und die Nürnberger Gesetze hielten überall Einzug. Auf diese Ereignisse, auch schon auf die brennenden Synagogen im Herbst 1938 im Sudetengebiet, reagierte Polák unmittelbar in Gedichten. Im März 1939 wurde Vlastimil Artur Polák vorübergehend verhaftet; in den Jahren 1939 bis 1941 wurde er zur Zwangsarbeit bei der Regulierung des March-Flusses eingesetzt. Die Ehe mit einer nicht-jüdischen Tschechin scheint zunächst ihn zunächst vor Schlimmerem bewahrt zu haben. Allerdings wurde sein junger Schwager Milan Kabát als Widerstandskämpfer verhaftet und im Mai 1944 in Breslau hingerichtet, zwischendurch hatte er heimlich bei den Poláks gewohnt. Im Oktober 1944 wurde dann Vlastimil Artur Polák selbst verhaftet und zusammen mit anderen Juden in Prag-Strasnice auf dem Gelände des jüdischen Sportvereins Hagibor interniert und von dort aus im Januar 1945 nach Theresienstadt deportiert. Umgeben von täglichem Leid, in Erwartung auch der eigenen Ermordung, schuf sich Vlastimil Artur Polák hier im Schreiben einen Bezirk der Freiheit: in Versen des Trostes und der Liebe, der Verzweiflung und des Trotzes. Polák, Mitglied einer geheimen Widerstandsgruppe im Ghetto, überlebte; seine Gedichte konnte er retten. Spätestens im Zuge der kommunistischen Machtübernahme 1948 gab es in der Tschechoslowakei jedoch kein Publikum mehr für einen deutschsprachigen jüdischen Dichter. Als solcher war er dem Regime gleich in zweifacher Hinsicht unwillkommen. Bis in die siebziger Jahre war Polák bei der Eisenbahn angestellt und schrieb in diesen Jahrzehnten in einer Art 'Innerer Emigration' Texte nur 'für die Schublade'. Die 'Samtene Revolution' von 1989 konnte Polák aber noch feiern, auf Vacláv Havel verfaßte er eines seiner letzten Gedichte. Erst nach seinem Tod am 9. März 1990 in Olmütz trat Poláks ganzer schöpferischer Reichtum zutage, sein Nachlaß umfaßt viele Hundert Gedichte. Zum bestimmenden Thema seiner Dichtung wurden erst die Eindrücke in Theresienstadt und dann zeitlebens sein 'Schreiben nach Auschwitz'. Daneben hinterließ er eine große formale und inhaltliche Bandbreite an Gedichten, darunter auch Alltagstexte und immer wieder auch erotische Lyrik.