0
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783630872940
Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S.
Format (T/L/B): 2.6 x 22 x 14.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Die Liebe ist eine Wissenschaft für sich Ein Wiedersehen, das einschlägt wie ein Blitz: plötzlich steht die Astrophysikerin Harriet ihrer großen Liebe von einst gegenüber. Und allmählich, aber unaufhaltsam, gerät ihr bisheriges Leben aus seiner geordneten Umlaufbahn.Harriet, halbindisch, mathematikbegeistert, macht in ihrem Beruf aus wissenschaftlichen Daten schöne kosmische Bilder, ein wenig Lüge darf dabei schon sein. Auch zuhause scheint alles gut eingerichtet mit Partner Ash und Ben, dessen Sohn aus einer früheren Beziehung. Doch dann fährt Ash mit dem Auto ausgerechnet die Frau von Harriets Jugendliebe an, und Peter, der Mann, den sie längst vergessen zu haben glaubte, tritt von neuem in ihr Leben. Ein vermeintlich harmloses Liebesgetändel beginnt: Man ist ja offen, Heimlichkeiten und Eifersucht sind antiquiert, man verhält sich den Klischees der Gefühlswelt gegenüber abgeklärt. Doch Ulrike Draesner schickt die Heldinnen und Helden ihres neuen Romans auf wunderbar verspielte Weise in ein irrlichterndes Labyrinth aus romantischen Verwicklungen, das eine der Figuren nicht lebend verlassen wird.

Autorenportrait

Ulrike Draesner, 1962 in München geboren, wurde für ihre Romane und Gedichte vielfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie den Preis der LiteraTour Nord, den Bayerischen Buchpreis, den Deutschen Preis für Nature Writing, den Ida-Dehmel-Literaturpreis (alle 2020) sowie den Großen Preis des Deutschen Literaturfonds (2021). Von 2015 bis 2017 lehrte sie an der Universität Oxford, seit April 2018 ist sie Professorin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Draesner lebt in Berlin und Leipzig.

Leseprobe

Wei? die Lichtmischung aller Farben auf einer Wand, wei? der Sturz in den Schnee auf der Nordseite des Kailash, eine Fr?hlingswiese wei?gesprenkelt, das Wei?eines menschlichen Auges, der hineingemalte verborgene Glanz, das Wei?der Albedo, der Erde Widerschein im All. Wei?die Sekunden in der Parabel, Flug um Flug, Sturz um Sturz, das Wei?der Rotation, als noch einmal etwas aus ihrem Sch?l dringt, obwohl ihr Gehirn sich bereits au?rhalb der Knochen befindet - von Neuem w?lbt es sich aus, presst durch kleinste Ritzen nach unten und au?n, Beschleunigung auf h?chster Stufe, wei? die Erinnerung an Peter, der Widerstrahl eines Horizonts, ein Lachen inmitten des Strudels jetzt, noch tieferes, sattes, saugendes Wei? Sieben Minuten. Sie l?sten die Halterungen. An ihren Mitbewerbern hatte Harriet gesehen, wie gr?n ein Mensch werden kann. Der Arzt sagte: "Machen Sie zuhause eine Flasche Sekt auf." Von Sekt wurde ihr ?bel, aber noch im Gang steckte sie sich eine Zigarette an. Ausgefeilte Tests, international besetzte Kommissionen. Wollte sie wirklich ins All, von dem gerade sie wissen musste, dass es nichts war als - Nichts? Sie ?bte S?e f?r die Auswahlverfahren. "Habe meine M?er als Triebwerke verwendet." Schlecht. Au?rdem stimmte es nicht. "Ins All, um der Menschheit zu dienen." Klischiert, n?tzlich. "Weil ich mich f?r geeignet halte." Auf den ersten Blick schlechter als auf den zweiten. "Weil ich immer schon neugierig war." "Weil ich den Kopf daf?r habe." "Weil ich das Ding fliegen kann." Und dann, f?rs Ende, eine ?erraschung. Tausend Mal im Geist durchgespielt, mit einem Psychologenteam beraten. Das sagte: "R?cken Sie mit der Wahrheit heraus!" Der Wahrheit? Die Psychologen, ein P?hen, l?elten und zeigten das Schema-Bild einer Sojusrakete, die vordere Verkleidung fehlte, man sah Computer und Messinstrumente, die von Maschinen und Kabeln dargebotenen Sitze. Sich anschlie?n, einst?pseln, ?berlassen. Chips w?rden sie fliegen, Chips am Gehirn sitzen. Blutwerte, Hormone, neueste Fragestellungen, der Mensch als Versuchsh?hen im All. Untergehen mit dem Labor, falls es explodierte oder vergl?hte. Die Kapseln eng, wie Hundek?ge klein. Umso besser waren Harriets Messwerte. Auch nach der Rotation. Ihr wurde nicht schlecht. Mit dem Rauchen w?rde sie aufh?ren m?ssen. Im ?rigen suchte man durchaus ?ere Kandidaten. Ovulation, IQ, Ruhepuls. Das jahrelange Rudern in Norwegen - jetzt n?tzte es. Jetzt f?gte alles sich zusammen. Wie grotesk. "Sie fliegen ja schon." Das feste Ende des Beschleunigers steckte auf einem m?tigen, sich in der Mitte des Raums aus dem Boden schiebenden Zapfen. Der Rest glich einem langen L?ffel, in dessen Sch?pfkelle der Proband kriechen musste. Da lag man wie in einem k?rpergeformten Sarg, tarngrau, kotzsicherer Anzug inklusive. Man wurde angeschnallt, alle verlie?n den Raum, die Klappe fuhr zu. Wer Platzangst hatte, starb sofort. Der Rest wurde von einer Kamera gefilmt. Der Arzt sagte: "Kosmos! Jahrzehntelang wollte da niemand hin. Jetzt jeder. Wie die Lemminge, die Lemminge." "Das ist Walt Disney", sagte Harriet. Bei Walt Disney sahen Lemminge aus wie eine Kreuzung aus Meerschweinchen, Hase und Maus und st?rzten sich in den Tod. Sp?ttisch zog der Mann vom European Astronaut Center die Augenbrauen hoch. Er glich einem Piraten aus einem alten Entdeckerbuch. Hatte bestimmt schon viele Astronautenkandidaten scheitern sehen. Erst in den letzten Sekunden, die Klappe schloss sich bereits, war es der Kamera gelungen, die Angst in Harriets Augen einzufangen. Sie hatte keine Angst gehabt. Der K?rper hatte die Angst, sie f?hlte nichts. In drei Stunden fuhr sie zur?ck ins Institut f?r Extraterrestrische Physik. F?hllosigkeit hatte sie trainiert. Nach dem Experiment zeigte man ihr den Film. Von au?n glich die Maschine dem wahnsinnig gewordenen Zeiger einer Uhr. Harriet sah sich in sein verdicktes Ende kriechen. In den Sch?pfer. Die Beschleunigung begann. Es gab eine kritische Grenze, bei der die inneren Organe platzten. Leseprobe
Leseprobe