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Der Mythenschmied

Paulus und die Erfindung des Christentums

Hoevels, Fritz Erik / Hoevels, Fritz Erik
Erschienen am 01.05.2013, 3., Auflage
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783894846121
Sprache: Deutsch
Umfang: 253
Format (T/L/B): 24.0 x 17.0 cm

Beschreibung

Wo Lüdemann aufhört, fängt Maccoby erst an: Paulus war nicht nur der organisatorische Gründer der Kirche, die es ohne ihn gewiß nicht gäbe, sondern auch der alleinige Stifter der christlichen Religion, welche dem gläubigen Juden und verhinderten Messias Jesus schwerlich gefallen hätte. Gnosis und Mysterienreligionen, welche zuvor noch niemand kombiniert hatte, verknetete Paulus mit einem gründlich umfunktionierten biblischen Substrat zu einer brisanten Mischung. Entgegen seinen eigenen Suggestionen und den Legenden der Apostelgeschichte ist Paulus im Gegensatz zu Jesus niemals Pharisäer gewesen; aber er war ein nahezu genialer hellenistischer Mythenschmied.

Rezension

'Während Ratzinger fleißig am Christus-Mythos weiterstrickt1 und die mythengläubige und -willige Masse solche mythenschmiedende Bücher massenhaft kauft, erscheint in dieser der historischen Wahrheit durchaus widrigen Situation in Deutschland ein Buch, das mit rationalsten Argumenten den üblichen Jesus-Mythos des Christentums ad absurdum führt. Maccobys Hauptthese, durch einen gewaltigen Apparat an philologischer, exegetisch-analytischer und historisch-kritischer Methodik und Gelehrsamkeit gestützt, besteht in dem in dieser Radikalität noch nie behaupteten absoluten und exklusiven Gegensatz von Jesus und Paulus. Ersterer war ein frommer Pharisäer (nicht im Sinne der negativ-verächtlichen Attribute, die den Pharisäern im Neuen Testament verabreicht werden), dem es nie in den Sinn gekommen wäre, eine neue Religion zu gründen. Wohl aber habe er sich als Messias des jüdischen Volkes gefühlt, der die jüdische Monarchie restaurieren, die römische Besatzung vertreiben, einen unabhängigen jüdischen Staat errichten und ein Zeitalter des Friedens, der Gerechtigkeit und des Wohlstands herstellen werde, das sogenannte 'Reich Gottes'. Das aber nicht mit militärischen Mitteln, sondern im Glauben an ein Wunder Gottes, das die Macht Roms brechen werde. Als dieses Wunder ausblieb, war seine Mission gescheitert. Weder sah er sich als Gottes Sohn, der nach diesem Scheitern wieder zu Gott Vater im Himmel zurückkehrt, noch seinen Tod als Sühneopfer für die Sünden der Menschheit und zu deren Errettung aus ewiger Verdammnis. Und nun kommt Paulus ins Spiel. Wahrscheinlich braucht jeder Mythos, jede Hervorbringung einer Kultgestalt ein Minimum an Faktizität, an tatsächlicher Basisgeschichte. Der genial listige und schlaue Paulus machte also aus dieser keineswegs extraordinären Gestalt Jesu mit Hilfe gnostischer, mysterienreligiöser und ein paar selektiv alttestamentlicher Elemente die ins pompös Metaphysisch-Kosmische erhöhte und erhobene Gestalt eines Erlösers und Heillands, eines Gottes und Gott ebenbürtigen Sohnes. Es war, so Maccoby, ›ein geniales Gebräu und Gewirk aus hellenistischen Bestandteilen, das oberflächlich mit jüdischen Schriften und Überlieferungen verlötet wurde, die es mit einer Art Historizität und einer Aura von Gültigkeit versehen sollten.‹ Der Mann, der dies bewerkstelligte, war nie ein pharisäischer Rabbi gewesen, obwohl er dies seinen Anhängern weismachte, ›sondern ein Abenteurer ohne irgendwie hervortretenden Hintergrund. Er verband sich zunächst mit den Sadduzäern, und zwar als dem hohen Priester unterstellter Polizeiagent, bevor er sich zum Glauben an Jesus bekannte.‹ Jene Bildung und jenen Kenntnisstand, die man im Allgemeinen mit den Pharisäern verband, hatte er nicht oder sehr unvollkommen. Seine Biografie habe er verzerrt und verfälscht, um seine missionarischen Aktivitäten besser durchsetzen zu können. Paulus also, wie Maccoby akribisch nachweist, ›kein in jüdischer Gelehrsamkeit und Tradition verwurzelter Pharisäer, vielmehr ein hellenistischer Abenteurer, dessen Bekanntschaft mit dem Judentum vergleichsweise spät und seicht war.‹ Das gesamte Christentum, das wir kennen bzw. an das die Christen glauben, ist durch und durch, von A bis Z ein Werk des Paulus. Die nazarenische Religion, also die Religion der unmittelbaren Jünger und Nachfolger Jesu in Jerusalem, des Petrus, des Jakobus etc., war lediglich und blieb eine Variante der jüdischen Religion, angereichert allein mit dem Glauben an die Auferstehung Jesu und damit, dass Jesus für sie immer noch der versprochene Messias war. Alles Andere aber ist das Werk des Paulus. Er schuf eine ganz neue Religion mit dem für das Christentum bis heute so zentralen Mythos vom Versöhnungstod des auf die Erde herabgestiegenen göttlichen Wesens, von der Notwendigkeit des Glaubens an diesen Opfertod und der mystischen Teilhabe am Tod der Gottheit als einzigem Weg zur Errettung des Menschengeschlechts aus der Verdammnis. Jesus selbst, so Maccoby, habe ›nie eine ähnliche Vorstellung besessen; er wäre über die ihm von Paulus zugeschriebene Rolle als eine leidende Gottheit verblüfft und schockiert gewesen.‹ Er hätte sie für ›heidnisch und götzendienerisch‹ gehalten, für eine ›Verletzung des ersten der Zehn Gebote‹. Es muss als großes Verdienst des Ahriman Verlags angesehen werden, ein solches radikal die Anfänge des Christentums entmythologisierendes Werk herausgebracht, es in unsere heutige mythengeile, mehr dem Ratzionalismus als dem Rationalismus huldigende Aktualität hineingestellt zu haben, so dass nur noch die relativ wenig Denkenden unserer Zeit als Leser erwartet werden können. Die englische Originalausgabe der hier besprochenen Übersetzung erschien ja bereits 1986 in New York, ohne dass sie im deutschen Sprachraum auf Widerhall gestoßen wäre. Allerdings hat der Ahriman Verlag auch schon früher Maccobys Buch ›Jesus und der jüdische Freiheitskampf‹ herausgegeben, die bisher nüchternste Rekonstruktion des historischen Jesus aus den Quellen. Natürlich kann nicht alles, was Maccoby vorbringt, komplett neu sein. Seit den Anfängen der europäischen Aufklärung und der historisch-kritischen Bibelforschung des 18. und 19. Jahrhunderts geistert ja die These vom Gegensatz zwischen Jesus und Paulus durch die Literatur. Aber es gibt im gesamten Raum der christlichen Bibelforschung und Theologie, egal welcher konfessionellen Richtung diese sich verpflichtet fühlen mag, bis heute keinen Exegeten oder Theologen, der es wagen würde, einen so radikalen Schnitt zwischen Jesus und Paulus durchzuführen. Jesus total und ausschließlich dem Judentum, Paulus total dem Christentum als dessen alleinigen Gründer zuzuschlagen, und das mit derart detaillierten und stichhaltigen Belegen und Argumenten. Im Moment geht wohl Lüdemann, der aus der Göttinger evangelisch-theologischen Fakultät ausquartierte Theologe noch am weitesten, indem er Paulus wohl ›als Organisator und Formelgeber des Christentums gelten lässt und insofern, aber nur insofern, als dessen praktischen Gründer, der er natürlich auch war, aber nicht, was viel bedeutender ist, als dessen substantiellen Erfinder‹2, als welchen ihn allein Maccoby decouvriert. Der Rezensent muss gestehen, dass auch er in seinem Buch ›Jesus und die Frauen‹3 zwar die gesamten Jesus-Mythologien heutiger Theologen von Rahner über Franz Alt, Küng, Drewermann usw. auf das viel geringfügigere Maß des historischen Jesus reduzierte, jedoch den Gegensatz von Jesus und Paulus nicht so einleuchtend radikal gesehen hat, wie das Maccoby in seinem hier besprochenen Buch plausibel macht. Dieser angesehene Talmud-Philologe und ehemalige Professor für Judaistik an der Universität Leeds hat sich meines Erachtens den klarsten und unabhängigsten Blick auf die hier zur Debatte stehende Problematik bewahrt. Maccobys Buch ist ein Muster an historisch-kritischer Präzisionsarbeit. Aber selbstverständlich muss bei ihm auch Manches in der Schwebe bleiben, als Hypothese gewertet werden, was nicht verwundern kann, wenn man die spärliche, fragmentarische Quellenlage berücksichtigt. Aber Maccobys Darstellung ist die plausibelste, begründetste, argumentativ überzeugendste, zugleich in besonderem Maße dazu angetan, die dunklen und zwiespältigen Anfänge des Christentums wirklich zu erhellen und logisch verstehbar zu machen. Keine wirklich wissenschaftlich relevant sein wollende Untersuchung der hier debattierten Problematik wird an einer Auseinandersetzung mit Maccobys Buch vorbeikommen können.Prof. Dr. Hubertus Mynarek in 'Aufklärung und Kritik', 2/20071 S. sein neuestes Jesus-Buch und das kritisch zu ihm Stellung nehmende Buch Mynareks u.d.T. ›Papst-Entzauberung. Das wahre Gesicht des Joseph Ratzinger und die exakte Widerlegung seiner Thesen‹, Norderstedt 2007, Verlag Books on Demand.2 F. E. Hoevels in seinem Vorwort zu dem hier besprochenen Werk, S. XI.3 H. Mynarek, Jesus und die Frauen, 1. Auflage im Eichborn Verlag 1995, 2. Auflage im Verlag Die Blaue Eule 1999.

Inhalt

Vorwort des Übersetzers Vorwort des Autors Saulus Das Paulusproblem Der Standpunkt dieses Buches Die Pharisäer War Jesus ein Pharisäer? Warum wurde Jesus gekreuzigt? War Paulus Pharisäer? Angeblich rabbinischer Stil in den Paulusbriefen Paulus und Stephanus Paulus Der Weg nach Damaskus Damaskus und danach Paulus und das Abendmahl Die 'Kirche von Jerusalem' Der Bruch Paulus vor Gericht Das Zeugnis der Ebioniten Der Mythenschmied Anhang Zur Methode Danksagungen Nachwort zur 2. Auflage Stellenregister Literatur